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Arztabrechnung bei Doppelzulassung

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Einem Arzt mit Doppelzulassung muss es gestattet sein, in allen Fachgebieten, für die er die Zulassung erlangt hat, seine vertragsärztliche Tätigkeit auszuüben. Die entgegenstehende Regelung in Abschnitt 6.1 der Allgemeinen Bestimmungen des EBM-Ä (Fassung seit 1.4.2005) ist daher rechtswidrig.

Im hier vom Bundessozialgericht entschiedenen Fall geht es um die Abrechenbarkeit neurologischer Leistungen einer Ärztin mit Doppelzulassung. So haben in der Sache das Sozialgericht und das Landessozialgericht zutreffend entschieden, dass die Klägerin das Recht hat, bei der Abrechnung neurologischer Behandlungsfälle den neurologischen Ordinationskomplex in Ansatz zu bringen und vergütet zu erhalten.

Dass sich – laut Regelung – der abrechenbare Ordinationskomplex in allen Behandlungsfällen eines Arztes nach dem über die Abrechnungsnummer identifizierten Versorgungsauftrag richtet, hat zur Folge, dass ein Arzt mit einer Zulassung für mehrere Fachgebiete durchgängig immer nur den Ordinationskomplex aus einem einzigen Fachgebiet berechnen darf.

Solange das geltende Zulassungsrecht es gestattet, dass ein Arzt für mehrere Fachgebiete zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen wird, muss ihm auch die Ausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit auf allen Fachgebieten, für die er zugelassen ist, ermöglicht werden. Das Bundessozialgericht hat zu beanstanden, dass die Regelung des Abschnitts 6.1 der Allgemeinen Bestimmungen des EBM-Ä vorgesehen hat, einem für mehrere Fachgebiete zugelassenen Arzt, in allen Behandlungsfällen einheitlich, jeweils den Ordinationskomplex nur aus einem der Fachgebiete zuzuerkennen.

Dies bedeutet bei einer Ärztin wie der Klägerin, die schwerpunktmäßig augenärztlich tätig ist und eine dementsprechende Abrechnungsnummer führt, dass sie auch in den Behandlungsfällen, in denen sie ausschließlich neurologische Leistungen erbringt, durchgängig stets nur den augenärztlichen Ordinationskomplex berechnen kann. Dies steht nicht in Einklang mit den zulassungsrechtlichen Bestimmungen und den Folgerungen, die sich aus dem Zulassungssystem für das Abrechnungssystem ergeben.

Nach dem Zulassungsrecht im Vertragsarztrecht des SGB V ist es Ärzten gestattet, für mehrere Fachgebiete die Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung zu erlangen. Solange dies möglich ist und Ärzte hiervon Gebrauch machen, ergibt sich als Konsequenz, dass es dem Arzt auch gestattet sein muss, in allen Fachgebieten, für die er die Zulassung erlangt hat, seine vertragsärztliche Tätigkeit auszuüben. Dies schließt im Falle eines EBM-Ä mit einer Aufgliederung der Leistungstatbestände ein, dass der Arzt bei seiner Abrechnung die Leistungstatbestände des jeweiligen Fachgebietes einschließlich des einschlägigen Ordinationskomplexes in Ansatz bringen kann.

Dieses präjudizierende Gewicht der zulassungsrechtlichen Regelungen ergibt sich aus der bisherigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts. Ein für zwei Fachgebiete zugelassener Vertragsarzt darf seine vertragsärztliche Tätigkeit auf eines dieser Fachgebiete beschränken.

Im Falle einer Zulassung für mehrere Fachgebiete kommt jedem einzelnen der Tätigkeitsfelder eigenständige Bedeutung zu. Als weitere Folge ergibt sich, dass die dem Vertragsarzt im Zulassungsrecht eingeräumten Möglichkeiten nicht durch das Abrechnungs- und Vergütungsrecht unterlaufen werden dürfen. Dies hat zur Konsequenz, dass es dem Arzt, der in mehreren Fachgebieten die Zulassung erlangt hat, auch möglich sein muss, bei seiner Abrechnung die Leistungstatbestände jedes einzelnen dieser Fachgebiete in Ansatz zu bringen.

Die daraus ggf für die KÄV bei der Abrechnung entstehenden Schwierigkeiten müssen bis an die Grenze der Zumutbarkeit hingenommen werden: Nur insoweit, als ein unverhältnismäßiger Aufwand entstehen würde, könnte es in Betracht kommen, von den dargestellten Folgerungen, die sich aus dem Zulassungssystem für das Abrechnungssystem ergeben, Ausnahmen zuzulassen. So liegt es hier aber nicht.

Die Beklagte und die KÄBV führen als Rechtfertigung für die abrechnungsbeschränkende Regelung vor allem den Gesichtspunkt an, der Gefahr unzulässiger Doppelabrechnungen vorbeugen zu wollen. Zwar ist es durchaus plausibel, dass einer unzulässigen Doppelabrechnung von zwei Ordinationskomplexen in einem Behandlungsfall dann leichter begegnet werden kann, wenn in allen Behandlungsfällen eines Arztes gleichmäßig nur ein bestimmter Ordinationskomplex abrechenbar ist. Die Beklagte hat aber nicht zu widerlegen vermocht, warum – insbesondere in Zeiten ausgedehnter EDV-Abrechnungskontrollen – nicht in vergleichbarer, wohl nur geringfügig aufwendigerer Weise sichergestellt werden kann, dass die Gesamtzahl der vom Arzt in Ansatz gebrachten Ordinationskomplexe nur ebenso so groß ist wie die Gesamtzahl seiner Behandlungsfälle.

Die schematische Zuweisung des Ordinationskomplexes aus nur einem der Fachgebiete lässt sich auch nicht damit begründen, dass diese Schematisierung der vereinfachten verwaltungstechnischen Abwicklung des Abrechnungswesens diene. Dies mag zutreffen. Der Gesichtspunkt der Verwaltungsvereinfachung und -praktikabilität kann auch grundsätzlich Legitimationskraft zukommen, dies allerdings nur in begrenztem Maße. Dem kommt in einem Fall wie hier – auch mit Blick auf Art 12 Abs 1 GG – kein so großes Gewicht zu, dass damit eine Abweichung von dem Grundsatz gerechtfertigt werden könnte, dass die im vertragsärztlichen Zulassungsrecht angelegte Möglichkeit, in mehreren Fachgebieten tätig zu werden, dann auch bei den daran anknüpfenden Vergütungsregelungen zu beachten ist.

Ferner ergibt sich eine ausreichende Rechtfertigung für die hier umstrittene EBM-Ä-Regelung auch nicht daraus, dass die alternativ denkbaren Regelungsvarianten aus Sicht des Bewertungsausschusses weniger geeignet gewesen wären. Die Beklagte und die KÄBV machen geltend, der Bewertungsausschuss habe entweder die Abrechnung von Durchschnittswerten zwischen den Ordinationskomplexen oder einen Ansatz je nach dem Schwerpunkt im Behandlungsfall oder ein Auswahlrecht des Arztes oder eine starre Zuordnung eines Ordinationskomplexes vorsehen können. Sie beschreiben die Nachteile sowohl des Ansatzes eines Durchschnittswerts oder eines Auswahlrechts des Arztes (Anreize, evtl durch ein zweites Fachgebiet mit höher bewertetem Ordinationskomplex, aber insoweit nur geringer Fallzahl, unangemessen hohe Honorare zu erlangen) als auch eines variierenden Ansatzes je nach dem Schwerpunkt im Behandlungsfall (hoher Verwaltungsaufwand). Diese jeweiligen Nachteile können indessen, wie sich nach obigen Ausführungen ohne Weiteres erschließt, nicht als so gravierend angesehen werden, dass sie es rechtfertigen könnten, den Grundsatz zu durchbrechen, dass dem für mehrere Fachgebiete zugelassenen Arzt dann auch bei der Abrechnung und Vergütung die Leistungstatbestände des jeweiligen Fachgebietes zuzuerkennen sind.

Die Präjudizierung von Abrechnungs- und Vergütungsregelungen durch Vorgaben des Zulassungsrechts auch im Falle des Ordinationskomplexes ist zudem deshalb sinnvoll, weil andernfalls eine (zusätzliche) Diskrepanz entstünde: In einem neurologischen Behandlungsfall einer Vertragsärztin, die auch augenärztlich zugelassen ist und hier ihren Tätigkeitsschwerpunkt hat, werden gemäß Abschnitt 6.2 der Allgemeinen Bestimmungen des EBM-Ä alle übrigen Leistungen – mit Ausnahme des Ordinationskomplexes – nach den Vergütungstatbeständen für neurologische Leistungen honoriert. Innerhalb der Vergütung des Behandlungsfalles entstünde insofern eine Diskrepanz, als hier der augenärztliche Ordinationskomplex und im Übrigen neurologische Leistungen kombiniert würden.

Schließlich kann die in Abschnitt 6.1 der Allgemeinen Bestimmungen des EBM-Ä getroffene Regelung auch nicht damit gerechtfertigt werden, dass sich bei Ärzten wie der Klägerin nur geringfügig höhere Honorarsummen ergäben, wenn sie in jedem einzelnen Behandlungsfall den Ordinationskomplex entsprechend dem Schwerpunkt der erbrachten Leistungen vergütet erhielten. Das Ergebnis rechnerisch nur geringfügig höheren Honorars kann – zumal mit Blick auf die Möglichkeit einer Verlagerung seines Tätigkeitsschwerpunktes in ein anderes seiner Fachgebiete sowie auch mit Blick auf Art 12 Abs 1 GG – keine Abweichung von dem Grundsatz rechtfertigen, dass die im vertragsärztlichen Zulassungsrecht angelegte Möglichkeit, in mehreren Fachgebieten tätig zu werden, dann auch bei den daran anknüpfenden Vergütungsregelungen zu beachten ist.

Einem für mehrere Fachgebiete zugelassenen Arzt in seinen Behandlungsfällen jeweils nur den Ordinationskomplex aus dem einen Fachgebiet zuzuerkennen, verstößt auch gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des Art 3 Abs 1 GG. Wie das SG zu Recht ausführt, wird in dieser Weise nur im Fall eines Arztes mit vertragsärztlicher Zulassung für mehrere Fachgebiete verfahren. Dagegen werden bei fachübergreifenden Gemeinschaftspraxen (Berufsausübungsgemeinschaften), obgleich auch diese – jedenfalls abrechnungstechnisch und vergütungsrechtlich – im Verhältnis zur KÄV eine Einheit darstellen, die Ordinationskomplexe aus allen in Betracht kommenden Fachgebieten berücksichtigt (siehe Abschnitt 5.1 der Allgemeinen Bestimmungen des EBM-Ä – früher mit Durchschnittsbildung bzw heute: jeweils fachlich-einschlägiger Ansatz). Sachliche Gesichtspunkte, die solche Unterschiede rechtfertigen könnten, sind nicht ersichtlich.

Bundessozialgericht, Urteil vom 11. Mai 2011 – B 6 KA 2/10 R


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